Generika, Rabattverträge, Re-Importe – Was geht mich das an?

Bisher waren Generika in der HIV-Therapie kaum von Bedeutung. Doch durch die Diskussion um die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) und die Initiative von Erik Tenberken und Hexal, ein generisches Präparat für die PrEP für 50,05 € anzubieten, kam Bewegung in den Markt. Inzwischen bietet auch ratiopharm ein solches Präparat für 69,90 € an – allerdings nicht nur für die PrEP, sondern auch für die Behandlung (dann allerdings in Kombination mit mindestens einem weiteren Präparat). Bisher hatten HIV-Schwerpunktärzte keinen vergleichbaren Kostendruck wie andere Ärzte, da die HIV-Therapie außerhalb des Arzneimittelbudgets abgerechnet wurde. Das könnte sich in Zukunft allerdings ändern. Denn in den nächsten Jahren werden immer mehr HIV-Medikamente als Generika verfügbar werden und damit im Preis deutlich sinken.

Was ist ein Generikum?

Als „Generikum“ (Mehrzahl: Generika) bezeichnet man ein Arzneimittel, das wirkstoffgleich zum

Erstanbieter-Präparat ist. Generika können erst nach Ablauf der Patentlaufzeit (in der Regel nach 20 Jahren) auf den Markt gebracht werden. Da die Hersteller für diese Präparate kaum Entwicklungsaufwand betreiben müssen, sind sie meist deutlich preisgünstiger. Studien zu Wirkungen und Nebenwirkungen muss der Generikahersteller nicht nachweisen. Die Hersteller müssen aber eine „Bioäquivalenzstudie“ vorlegen, d.h. es muss nachgewiesen werden, dass das Präparat zu vergleichbaren Wirkstoffmengen im Körper führt, wie das Vergleichspräparat.

Das führt in der Praxis dazu, dass sich die erzielten Wirkstoffmengen nach Einnahme von Original und Generikum meist um weniger als 10% unterscheiden und diese Unterschiede sind oft auch von Charge zu Charge des Originalpräparats möglich. Dennoch können sich die Präparate in der Zusammensetzung unterscheiden. Denn die Hilfsstoffe in den Pillen oder Kapseln sind von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich (Farbstoffe, Füllmittel, Lacke oder ähnliches um eine definierte Freisetzung sicherzustellen). In Einzelfällen können aber gerade diese Hilfsstoffe für Allergien oder Unverträglichkeiten verantwortlich sein.

In den meisten Fällen wird der Austausch eines Originalpräparats durch ein Generikum problemlos sein, doch bei einigen wenigen Medikamenten mit geringer therapeutischer Breite (d.h. der Unterschied zwischen wirksamer und möglicherweise problematischer Dosis) kann es sinnvoll sein, dem Patienten weiterhin das gewohnte Originalpräparat zu verordnen.

Was bedeutet „aut idem“?

Dazu dient auf dem Rezept das kleine Kästchen „aut idem“ (lateinisch für „oder das gleiche“). Kreuzt der Arzt dieses Kästchen an, muss der Apotheker genau das angegebene Präparat abgeben. Ist dieses Kreuz nicht gesetzt, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Krankenkasse des Patienten hat einen Rabattvertrag zu diesem Medikament mit einem Hersteller geschlossen. Dann muss der Apotheker das Präparat dieses Herstellers abgeben. Falls es keinen Rabattvertrag gibt, muss der Apotheker das namentlich verordnete oder, bei reinen Wirkstoffverordnungen, eines der drei billigsten Präparate abgeben. Da sich die Preise praktisch ständig ändern, kann dies dazu führen, dass man bei einer Dauertherapie, z.B. mit einem Blutdrucksenker (oder in Zukunft vielleicht auch bei HIV-Medikamenten) öfters mit Präparaten unterschiedlicher Hersteller konfrontiert wird, die sich in Form, Farbe und Größe unterscheiden können – was gerade bei älteren Patienten oft zur Verunsicherung führt.

Was sind Rabattverträge?

Die Rabattverträge sind im Detail sehr interessant: Die Krankenkassen schreiben den großen Teil ihres Bedarfs an Generika europaweit aus. Die Hersteller können Rabattangebote abgeben und das Angebot mit dem größten Rabatt erhält den Zuschlag. Meist gelten diese Rabattverträge für zwei Jahre und werden danach neu ausgeschrieben und das Verfahren beginnt von vorne. Interessant dabei ist, dass die ausgehandelten Preise zu den am besten gehüteten Geheimnissen in der Pharmaindustrie gehören. Da die Kosten der Medikamente solidarisch von der Versicherungsgemeinschaft getragen werden, sollte man meinen, dass diese Preise transparent sein müssten. Weit gefehlt. Doch es wird noch spannender: Die Berechnungen, wieviel pro Jahr für Arzneimittel in Deutschland ausgegeben wird, erfolgt in aller Regel auf der Basis der „Apothekenabgabepreise“, also der Preise, die in der sogenannten Lauer-Taxe ausgewiesen sind. Die rabattierten Preise, die die Krankenkassen tatsächlich zahlen, liegen aber meist deutlich (oft bis zu 90%) darunter!

Für Ärzte und Apotheker haben Generika aber einige Fallstricke: Kreuzt ein Arzt zu oft „aut idem“ an, muss er sich eventuell rechtfertigen – und zwar in jedem Einzelfall. Wenn er dann keine gute Begründung hat, warum er den Austausch nicht zuließ, bekommt er einen Arzneimittelregress, d.h. er muss die zusätzlichen Kosten des Präparats aus eigener Tasche tragen.

Der Apotheker (bzw. sein Computer) muss bei jedem Präparat überprüfen, ob es einen Rabattvertrag mit der Krankenkasse des Patienten gibt und falls nicht, welches die drei günstigsten Präparate sind. Gibt er ein teureres Präparat ab, z.B. weil er gerade kein anderes auf Lager hat und er vermeiden will, dass der Patient noch einmal kommen muss, kann er „retaxiert“ werden, d.h. er muss den Differenzbetrag, bei Missachtung des Rabattvertrages sogar den kompletten Arzneimittel-listenpreis, aus der eigenen Tasche zahlen.

Was sind „Re-Importe“?

Bei Originalpräparaten ist der Apotheker verpflichtet, eine bestimmte Quote an (ebenfalls billigeren) Re-Importen abzugeben. Wird die vorgeschriebene Re-Import-Quote vom Apotheker nicht erreicht, werden vom Apotheker nach einer komplizierten Formel errechnete „Ausgleichszahlungen“ eingefordert. Re-Importe sind Präparate, die zwar vom selben Hersteller stammen und auch wirkstoffgleich sind, aber auf Grund von Preisunterschieden innerhalb der EU im Ausland günstiger eingekauft werden und trotz deutscher Steuer dann immer noch billiger sind als die in Deutschland angeboten Präparate. Meist haben diese Re-Importe eine Umverpackung mit fremdsprachigem Text und eine zusätzliche, deutschsprachige Packungsbeilage. Patienten sind dadurch oft verwirrt und haben Angst, eine Arzneimittelfälschung erhalten zu haben. Doch diese Ängste sind – zumindest wenn man seine Medikamente aus einer deutschen Apotheke bezieht – weitgehend unbegründet. Das Überwachungssystem ist hoch entwickelt und selbst wenn in seltenen Fällen „Fälschungen“ in den Handel gelangten, so waren dies in der Vergangenheit immer wirksame Medikamente, die allerdings nicht für den Verkauf bestimmt waren, sondern z.B. als Hilfslieferungen für bedürftige Länder. Es handelte sich also nicht um Fälschungen im eigentlichen Sinn, sondern um eine „Umleitung“ von Medikamenten mit zumindest ethisch bedenklichem Hintergrund.

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